Neben zahlreichen anderen kulturellen Spielstätten befindet sich in Wien unter anderem eines der ältesten deutschen Sprechtheater, das sogenannte Burgtheater. Gegründet wurde es bereits im Jahre 1748 unter der Herrschaft von Kaiserin Maria Theresia. Damals entstand das Theater in einem ehemaligen Ballhaus, also einem Bau, in dem eine Art Vorläufer des Tennis gespielt wurde, das auf dem Grundstück der Hofburg stand.
Das Theatergebäude wie wir es heute kennen wurde erst später errichtet und sollte als Teil der Ringstraße, die gesäumt ist von eindrucksvollen Bauten (vor allem von solchen im Stil des Historismus), dazu beitragen, Wiens prunkvolle Seite zu präsentieren.
Erbaut wurde die Spielstätte (damals noch unter dem Namen „kaiserlich-königliches Hofburgtheater“) in der Zeit von 1874 bis 1888 nach den Plänen der beiden Architekten Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer. Die lange Bauzeit von 14 Jahren lässt sich unter anderem damit erklären, dass Hasenauer, der das Projekt nach 2 Jahren, in denen er sich mit Semper zerstritten hatte, übernahm und allein vollendete, Inhaber eines Bauunternehmens war, das mehr Geld verdiente, je länger es beschäftigt war. Blickt man heute auf das Burgtheater, könnte man sich jedoch auch getrost mit dem Spruch „Gut Ding will Weile haben“ abgeben, um die 14 Jahre zu rechtfertigen, denn allein die Fassade des Gebäudes ist ein echtes Kunstwerk: Das Haupthaus zieren Büsten von berühmten Dichtern wie Schiller, Shakespeare und Molière, an den beiden Seitenflügeln befinden sich gepaarte Darstellungen von Gefühlsgegensätzen wie Liebe und Hass und auf dem Dach über dem Haupteingang thront Apollon, der griechische Gott der Künste, flankiert von den beiden Musen des Dramas und der Tragödie.
Wer von den detaillierten Darstellungen des Theaters an der Außenseite des Gebäudes noch nicht genug hat, der findet auch im Inneren eine Vielzahl an künstlerischen Meisterwerken. Besonders erwähnenswert sind dabei die beiden Feststiegen in den Seitenflügeln des Gemäuers: Hier befinden sich die berühmten Deckengemälde der drei Maler Gustav und Ernst Klimt sowie Franz Matsch. Die damals noch jungen Künstler wurden beauftragt, die Decken der Erzherzog- und der Kaiserstiege (beides Aufgänge zum Zuschauerbereich des Burgtheaters, die dem gewöhnlichen Bürgertum vorenthalten waren) zu gestalten. Für Planung und Fertigstellung der Arbeiten hatten sie allerdings nur zwei Jahre Zeit, was durchaus knapp bemessen war. Zu dritt gelang es ihnen jedoch, die Malereien zu vollenden.
Die Gemälde zeigen unter anderem Szenen aus berühmten Theaterstücken wie Shakespeares Romeo und Julia oder Antigone sowie antike Theaterspielstätten. Ihre Anordnung entspricht dabei einer Art Zeitstrahl, der beim Eingang am Fuß der Treppen beginnt und die Geschichte des klassischen Theaters (Kaiserstiege) sowie die des Improvisationstheaters (Erzherzogstiege) abbildet. In einer der Malereien verewigten sich die Klimt-Brüder und Matsch als Zuschauer von Romeo und Julia – es ist das einzige Selbstporträt Gustav Klimts.
Weil Teile der Decke über die Jahre hinweg beschädigt wurden, mussten sie stellenweise restauriert werden, im Großen und Ganzen sind sie jedoch sehr gut erhalten.
Als das Burgtheater 1888 fertiggestellt wurde, löste es zunächst große Begeisterung in der Wiener Bevölkerung aus; unter anderem auch, weil es von Anfang an mit Elektrizität ausgestattet war, was zur damaligen Zeit noch als sehr moderne technische Erfindung galt. Kritik wurde lediglich an der schlechten Akustik geübt. Deshalb baute man den Zuschauer*innenraum wenige Jahre nach der Eröffnung des Theaters noch einmal um: Die Decke stieg nun leicht an, je weiter sie sich von der Bühne entfernte, sodass der Schall von vorne den gesamten Raum erreichen konnte. Die Deckenkonstruktion bewährte sich und ist bis heute bestehen geblieben. Auch wenn die Aufführungen also theoretisch problemlos ohne Mikrofon durchgeführt werden könnten, tragen inzwischen jedoch viele Schauspieler*innen zusätzlich Headsets, um verstanden zu werden.
Insgesamt bietet das Burgtheater knapp 1200 Zuschauer*innen einen Sitzplatz, zusätzlich gibt es etwa 85 Stehplätze, die für 4,- sehr günstig zu erwerben sind, wenn man bedenkt, dass die teuersten Sitze rund 62,- kosten. Für diesen Preis darf man die Bühne dafür jedoch auch von der Festloge aus beobachten, die früher ausschließlich vom Kaiser belegt werden durfte.
Der Kaiser hatte zu Zeiten der Entstehung des Gebäudes eine ungemein hohe Rolle im Theater, obwohl er nicht auf der Bühne stand. Er hatte nicht nur einen eigenen Zugang zum Gebäude (die oben erwähnte Kaiserstiege) und eine Loge, die niemand außer ihm benutzen durfte, sondern auch der Applaus am Ende einer Vorstellung sollte allein ihm gelten. Es war damals unstatthaft, in der Gegenwart des Kaisers einer anderen Person zu applaudieren. Aus diesem Grund fiel der Vorhang stets unmittelbar nach dem Ende einer Vorstellung, um alle Schauspieler*innen auf der Bühne zu verbergen. Selbst bei langanhaltendem Beifall war es ihnen nicht gestattet, noch einmal vor den Vorhang zu treten und sich zu verbeugen. Diese Regelung, die erst ein halbes Jahrhundert nach dem Abtritt des letzten Kaisers aufgehoben wurde, nennt man Vorhangverbot.
Eine weitere interessante Ordnung, die in der Monarchie Wiens bestand, ist der sogenannte Wiener Schluss: Im Burgtheater, so erließ es Joseph II., sollte jedes Stück mit einem glücklichen Ende aufhören, um die Zuschauer*innen nicht deprimiert zurückzulassen. Große Werke wie Romeo und Julia oder Hamlet mussten zu diesem Zweck sogar extra umgeschrieben werden, um in Wien gezeigt werden zu dürfen. Heute besteht diese Regelung natürlich nicht mehr.
Inzwischen ist das Burgtheater eine der wichtigsten und angesehensten Spielstätte für verschiedenste Stücke des Sprechtheaters, wobei die meisten Produktionen hauptsächlich auf Deutsch stattfinden. Doch auch andere Sprachen wie Englisch oder Ungarisch können Eingang in die Stücke finden; mitverantwortlich sind dafür unter anderem die internationalen Schauspieler*innen, die dorthin kommen, um sich auf der wahrlich riesigen Bühne vor einem tendenziell gebildeten Publikum zu präsentieren und sich „Burgschauspieler*in“ nennen zu dürfen.
Wer einmal in Wien ist, sollte es sich nicht entgehen lassen, das Burgtheater zumindest von außen zu betrachten. Ein Blick in das Theater selbst ist ebenfalls sehr lohnenswert und gerade für Schüler*innen zu empfehlen, da diese schon für 10,- jeden Platz – auch die in der Festloge – beziehen können.
Die Abkürzung „k.k.“, auf die man in Wien nicht selten stößt, bedeutet „kaiserlich-löniglich“!
Funfact
Alea Unger
Bildquellen:
Burgtheater Logen: Archiv
Prunkstiege im Burgtheater: https://www.artfritz.ch/webfotos/kuenstlerspecials/klimt/700_burgtheater_decke.jpg
Burgtheater Außenansicht: Archiv