Paris, 1.Mai 1977
An diesem Tag konnte ich endlich in die Freiheit. Der 1. Mai hat für mich zwei Bedeutungen. Am 1.Mai habe ich meine Freundin kennengelernt und ich bin am 1.Mai 1977 das erste Mal richtig frei gewesen. Als meine Freundin und ich zusammenkamen, haben wir es als erstes geheim gehalten.
Wir haben durch uns erst herausgefunden, wie wir richtig empfinden. Wir hatten beide keine Ahnung, dass wir homosexuell sind. Ich wusste, dass meine Eltern es nicht gut aufnehmen würden, wenn sie erfahren sollten. Auch bei ihr war es schwierig. Nur ein Unterschied: sie hatte Freunde, die es widerlich fanden. Meiner Meinung nach waren das zurückgebliebene Idioten. Nach zehn Monaten hatten wir keine Lust mehr unsere Beziehung geheimzuhalten. Sie ging zu ihren Freunden und ich zu meinen Eltern. Ihre Freunde haben gemischt reagiert. Vor allem hat ihre beste Freundin mega süß reagiert. Sie hat uns beglückwünscht und war sehr glücklich mit uns. Meine Eltern hingegen waren stink sauer und haben gesagt, dass ich mich ändern soll. Sie haben gedacht, dass ich mir es ausgesucht hätte, wen ich liebe. Ich habe ihnen tausendfach gesagt, wie ich für meine Freundin empfinde und dass ich daran nichts ändern kann und werde. Sie drohten mir, dass sie mich rausschmeißen würden, wenn ich es nicht beenden würde. Ich habe mit meiner Freundin geredet und wir beschlossen, dass ich so tun würde, als wären wir nicht mehr zusammen.
Nach zwei Monaten hatte ich, dass Gefühl eingesperrt zu sein. In der Nacht vom 1.Mai 1977 hat mich meine Freundin abgeholt. Ich habe auf dem Tisch einen Brief mit einer Erklärung zurückgelassen und bin mit meiner Freundin abgehauen zu ihren Eltern. Wir liefen zusammen am der Seiner entlang und waren überglücklich.
Als ich aufeinmal stehen blieb, schaute sie mich fragend an. Sie fragte mich, ob bei mir alles okay sei. Ich war mir aufeinmal nicht mehr sicher, ob es die richtige Idee gewesen war, von meinen Eltern wegzulaufen, schließlich waren sie meine Eltern.
Aber als ich meine Freundin im Mondlicht sah[ vergaß ich alle meine Sorgen und sagte nur:
„Na klar! Was denkst du denn. Ich bin in Paris, der Stadt der Liebe, und laufe an der Seiner mit meiner Freundin. Ich bin der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt.“ Sie sah mich verdutzt an und grinste dann breit. Das war der beste Tag meines Lebens. Ich war endlich frei und konnte unbeschwert leben. Die Eltern meiner Freundin haben mich wie ihr eigenes Kind aufgenommen und ich habe sie wie meine eigenen Eltern geliebt. Leider habe ich auch jetzt sechs Jahre später nichts mehr von meinen leiblichen Eltern gehört. Vermutlich haben sie den Brief gelesen und waren froh nichts mehr mit einer wie mir zutun zuhaben. Vielleicht werde ich eines Tages mich mal wieder nach ihnen erkundigen. Ich hoffe sie nehmen es mir nicht übel, aber es war die beste Lösung für uns alle. Jetzt lebe ich mit meiner Freundin zusammen und bin, wie schon gesagt, der glücklichste Mensch auf Erden Mal sehen, was die Zukunft noch für uns bereithält.
Stella