Ich muss gestehen, dass ich nicht gerade begeistert war, als meine Oma mir in Form einer DVD einen Vorschlag für einen Filmabend unterbreitete. Ein Blick – und in der Tat genügt hierzu ein Blick – verriet mir, dass es sich bei dem Ding in meiner Hand um eine deutsche Filmproduktion handelte und wer ihn kennt, weiß, dass viele deutsche Filmproduktionen einen gewissen Beigeschmack haben. Als jemand, der für den größten Teil seines Lebens versuchte, den Kontakt mit Ballsport zu vermeiden und ironischerweise vor allem als Ballmagnet im Einsatz zu sein schien, steigerte sich diese Begeisterung auch nicht gerade, als sie mir erklärte, dass es sich um nichts anderes als um eine Verarbeitung der Entstehungsgeschichte des Fußballs in Deutschland handelte. Aber waren meine Sorgen berechtigt?
„Der ganz große Traum“ erzählt die Geschichte vom Lehrer Konrad Koch, der als Englischlehrer ans Martino-Katharineum in Braunschweig geholt wird. Eines seiner Mitbringsel aus einer Englandreise ist ein Fußball – ein anderes, ein grundlegend neues pädagogisches Konzept, welches er auch schon bald beginnt, dem an der Schule üblichen eisernen militärischen Drill entgegenzustellen. Über einen schülernahen Unterricht und die besten Eigenschaften des Mannschaftssports zeigt er seinen Schülern ein neues Verständnis von Gemeinschaft und Zusammenhalt, das sogar Brücken zwischen sozialen Klassen baut. Auf seiner Seite: einige Schüler, die den Spaß am Spiel und der Gemeinschaft nicht mehr missen wollen. Seine Gegner: Konservative in der Schulgemeinschaft, welche die traditionellen deutschen Werte nicht verletzt sehen wollen.
Es ist fraglos ein Familienfilm, der kräftig in den Farbtopf greift, um die beiden Seiten bilderbuchartig schwarz und weiß zu malen. Veraltete Weltsichten, wie die Empörung eines Hausmeisters über Bemühungen zur Einführung des Frauenwahlrechtes werden als humorvolle Szenen durch den Kakao gezogen, von denen Lehrer Konrad natürlich peinlich berührt wirkt. Dabei ist die Produktionsqualität allerdings stabil (was bei einem Budget von circa 5 Millionen Euro[1] aber auch zu erwarten sein dürfte). Der Stil ist Geschmackssache, allerdings überwiegt der grobschlächtige Humor deutscher Komödien hier nicht übermäßig. Der Witz vieler Szenen ist eher subtil, wobei Kindisches aber auch nicht fehlen darf, wenn den konservativen Lehrer mit als Züchtigungsmittel verwendetem Zeigestock cartoonhaft ein Fußball in bestimmte Körperregionen trifft oder das Bild von Bismarck in Lehrer Konrads Wohnstube als Running-Gag wieder und wieder von der Wand fällt.
Wie eine Aufarbeitung auf der Website der Stadt Braunschweig[2] verrät, blendet der Film den Hinweis „Frei nach realen Begebenheiten“ nicht ohne Grund ein. Etwa brachte der reale Koch keineswegs frischen Wind aus England mit, eine Englandreise unternahm er nie und war ironischerweise auch noch Altphilologe anstatt Englischlehrer. Von diesen, für die Konstruktion eines schönen Narrativs veränderlichen Details abgesehen, scheint seine pädagogische Pionierarbeit dennoch nicht zu verachten zu sein.
Letztlich ist es ein Film, dessen Zielgruppe (USK 0) erkenntlich wird. Als Einziger verarbeitet er jedoch eine Geschichte, die man wohl kaum hinter einem Sport erwarten würde, welcher sich heute mit dem Titel eines Nationalsports rühmen darf – und von der man, außerhalb einiger weniger Bücher, wohl auch kaum gehört hätte. Zu Gunsten pädagogisch wertvoller Inhalte werden einige historische Details übertüncht – was dabei entsteht, darf dieses Siegel jedoch gerne tragen, ohne dadurch langweilig zu werden. Auch wenn ich nicht so viel gelacht habe, wie Anlässe dazu geboten wurden, könnte ich nicht behaupten, meine Zeit mit diesem Film zu bereuen.
Kai Simanski (3/22)
[1] https://www.kino.de/film/der-ganz-grosse-traum-2010/
[2] https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/fb_institutionen/staedtische_gesellschaften/bsmportal/presseportal/bsm_wissenswertes_Konrad_Koch_Fussball_Braunschweig.php