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eSport – Freizeitbeschäftigung oder Karrierechance?

Mit Computerspielen Geld verdienen – davon träumen viele Jugendliche heutzutage. Und den meisten wird vermutlich von ihren Eltern eingebläut, dass es besser wäre, sie würden sich auf die Schule konzentrieren, da man mit einem Controller in der Hand niemals ernsthaft seinen Lebensunterhalt verdienen könne. Zumindest in Deutschland. Denn während das „Daddeln“ hierzulande weithin verrufen ist und als der Bildung nicht zuträglich angesehen wird, besteht in Staaten wie den USA, Frankreich und Schweden eine ausgeprägte eSports-Szene, die von nationalen Verbänden offiziell als „echte“ sportliche Disziplin anerkannt wird. Genau wie Fußball, Basketball, Hockey u. Ä. können Spieler*innen hier das Gaming zu ihrem Beruf machen.

Aber was genau ist eSport eigentlich und wieso herrschen in Deutschland so geteilte Ansichten darüber?

Der E-Sport Bund Deutschland (ESBD) definiert es so: „eSport ist der unmittelbare Wettkampf zwischen menschlichen Spieler/innen unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln.“ Der Leistungsvergleich stütze sich dabei auf das „Zusammenwirken einer zielgerichteten Bedienung der Eingabegeräte in direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf bei gleichzeitiger taktischer Beherrschung des übergreifenden Spielgeschehens“. Wichtig sei auch, dass die Spiele nicht zum Großteil vom Zufall bestimmt sein dürften, um einen „reproduzierbaren Spielrahmen“ zu schaffen. Als grundlegend können also vor allem drei Dinge festgehalten werden: eSport-Wettkämpfe gelten erst als solche, wenn sie nach gewissen Regelwerken zwischen mindestens zwei gleichzeitig spielenden Menschen ausgetragen werden. Weiterhin benennt der ESBD drei Grundelemente, aus denen sich der sportliche Aspekt der Tätigkeit eines Gamers zusammensetzt: die motorischen Fähigkeiten am Eingabegerät, die Reaktion auf Bildschirminhalte und die gedankliche Beherrschung des Spielablaufs.

Der ESBD kämpft seit seiner Gründung 2017 darum, dass das professionelle Gaming auch in Deutschland als offizielle Sportart anerkannt wird – bisher war er damit jedoch nicht erfolgreich: In einem 2019 vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es, es handele sich bei eSport nicht um Sport, da es zu wenig körperliche Aktivität gebe. Natürlich ist unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um ein eher schwaches Argument handelt, wenn man bedenkt, dass Schach vom DOSB als Sport anerkannt ist. Häufig wird auch die Frage angebracht, ob man sich beispielsweise beim Dart mehr bewege als beim Computerspielen. Tatsächlich ergaben Untersuchungen, dass Gamer*innen während des Spielens physische Reaktionen zeigen, die mit denen von „richtigen“ Sportler*innen durchaus vergleichbar sind: Ein hoher Puls und andere körperliche Stressreaktionen wie Schweiß sind Ergebnis des extrem hohen Entscheidungsdrucks, unter dem zusätzlich taktisches Denken und exaktes Timing gefordert sind.

Möchte man dem DOSB nicht unterstellen, altmodisch zu sein, so bleibt noch die Überlegung, ob es ihm vielleicht unangenehm ist, von Gewalt geprägte Spiele als Sport zu bezeichnen. Denn die wichtigsten Spiele des eSports stammen aus den Genres Ego-Shooter und Multiplayer Online Battle Arena (kurz MOBA), in denen meist das Töten von Mitspieler*innen einen zentralen Bestandteil des Spielablaufs einnimmt.

Tatsächlich versuchte der DOSB anfangs, eine Grenze zwischen eGaming und eSports zu ziehen, indem er letzterer Kategorie nur Sportsimulatoren wie FIFA u. Ä. zuordnete. Spiele wie „League of Legends“, „Counter-Strike: Global Offensive“ (CSGO), „Dota 2“, „StarCraft“ und „Overwatch“, die die eSport-Szene in Wirklichkeit bestimmen, waren in den Statements des Verbandes gar nicht mitgemeint – mit großem Unverständnis vonseiten des ESBD.

Doch trotz der Schwierigkeiten, mit denen der eSport in Deutschland zu kämpfen hat, ist er weltweit inzwischen zu einem millionenschweren Business geworden. Vor einem knappen Jahr fanden in Tokio, kurz vor den olympischen Spielen, die ersten Olympic Virtual Series statt. Progamer aus der ganzen Welt maßen sich in fünf unterschiedlichen Sportsimulatoren, darunter Baseball und Segeln. In einem Statement des IOC (International Olympic Committee) hieß es, man wolle mit diesem Event neue Zielgruppen ansprechen und auch einen Fokus auf die Jugend setzen. Auch in den Asian Games, dem größten, auf den asiatischen Raum beschränkten Sportevent, wird eSports ab diesem Jahr eine sportliche Disziplin sein. Neben FIFA sollen hier auch Wettkämpfe in Spielen wie League of Legends, Hearthstone, Dota 2 und Street Fighter V stattfinden.

Der erste organisierte eSport-Wettkampf fand 1972 in den USA statt: Studenten der Stanford University maßen sich im Spiel „Spacewar“; Hauptpreis war ein Jahresabo der Zeitschrift Rolling Stone. Acht Jahre später veranstaltete die Computerspielfirma Atari ein großes eSport-Turnier; diesmal traten die Teilnehmer*innen im Spiel „Space Invaders“ gegeneinander an.

Heute liegt das wahre eSport-Monopol jedoch nicht in den USA, sondern in Asien – genauer in Südkorea. Hier wuchs eSport zum wahren Massenphänomen heran. Und das liegt wohl in erster Linie an einer Sache, in der Deutschland bekanntermaßen weltweit eher einen der hinteren Plätze belegt: die Internetverbindung. Südkorea war einer der ersten Staaten, der landesweit das Breitband-Internet ausbaute. Infolge dieser staatlich subventionierten Maßnahme des technischen Fortschritts sprossen seit Ende der 90er in ganz Südkorea sogenannte PC-Bangs aus dem Boden. Diese LAN- und Internetcafés sind bis heute mit modernen Computern und einer außergewöhnlich stabilen Internetverbindung ausgestattet – die für das Gaming eine entscheidende Rolle spielt. Jugendliche und Erwachsene aller Einkommensschichten nutzten fortan dieses Angebot, um dort ihre Freizeit mit Computerspielen zu verbringen. Schon bald wurden erste nationale Wettbewerbe veranstaltet und vor allem das Spiel „Starcraft“ gewann an Popularität.

Die asiatische Mentalität trug ihren Teil bei und die Disziplin und der Ehrgeiz, mit dem Spieler*innen an ihren Gaming-Fähigkeiten arbeiteten, führten dazu, dass Südkorea auch auf den weltweiten Ranglisten stets die oberen Plätze belegte. Die Gründung der staatlich unterstützten Korean eSport Association im Jahr 2000 trieb den Vormarsch des neuen Phänomens weiter voran und sorgte für klare Strukturen, die nun auch auf politischer Basis ein Fundament fanden.

Man könnte fast sagen, dass eSport in Südkorea zur Kultur geworden ist. Tatsächlich kommt Progamern hier nicht selten ähnlich hohes Ansehen zu wie K-Pop-Stars. Es gibt eigene TV-Sender und Magazine, die sich auf Nachrichten aus dem eSport spezialisieren und Jugendliche träumen von einer Zukunft als Progamer. Inzwischen gibt es sogar mehrere eSport-Akademien wie die Game Coach Academy in Seoul, in der Gamer*innen professionell gecoacht werden. Doch das Leben eines Progamers ist anstrengend und vor allem mental eine große Herausforderung.

Professionelle Spieler gehören in der Regel einem Team an, mit dem sie in Turnieren gegen andere Teams antreten und mit dem sie oft auch in Wohngemeinschaften zusammenleben. Dort verbringen sie den Großteil ihrer Zeit damit, am Computer Spieltaktiken zu erproben und ihre Fähigkeiten zu trainieren – nicht selten weniger als acht Stunden am Tag. Mädchen sind in diesen Gruppen äußerst ungern gesehen, wenn sie nicht sogar verboten sind. Die Begründung dreht sich meist darum, dass diese die Gruppendynamik durcheinanderbringen würden. Also bestehen die Teams in der Regel aus männlichen Gamern, viele davon in ihren Zwanzigern.

Es ist nicht einfach, an das Niveau professioneller Spieler*innen heranzukommen. Eine perfekte Hand-Auge-Koordination, feinmotorische Geschicklichkeit, taktisches Verständnis sowie Team- und Kommunikationsfähigkeit sind grundlegende Anforderungen – und das alles muss sich unter enormen Stresssituationen bewähren. Die Preisgelder in großen Turnieren sind hoch und werden mit der zunehmenden Popularität des eSports vermutlich weiter steigen, doch das Business ist anstrengend und in seiner Härte keinesfalls zu unterschätzen.

Der eSport ist ein Phänomen, das weltweit auf dem Vormarsch ist und sich an immer größerer Beliebtheit erfreut. Über Streamingdienste wie twitch lässt sich bereits jetzt ein großes Publikum unterhalten, doch in anderen Ländern können eSport-Events auch offline ganze Stadien füllen. In Asien, den USA oder Frankreich zeigt sich, welches wirtschaftliche Potential in dem Business steckt. Auf diese Erkenntnis dürfen wir in Deutschland noch hoffen. Bis dahin müssen Hobbygamer*innen geduldig annehmen, dass LoL, CSGO und Warcraft als nicht-zukunftsweisende Freizeitbeschäftigung zur Entspannung wahrgenommen werden.

Alea Unger (4/22)

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