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Oper Carmen – klassisches Werk trifft modernen Aktivismus

„Und lieb´ ich dich, nimm dich in Acht“, singt Titelrolle Carmen in der gleichnamigen Oper von George Bizet, welche Sie diese Spielzeit im TfN besuchen konnten. Doch diese Warnung war vergebens. Nicht nur einer, sondern mehrere Männer versuchen bei Carmen ihr Glück, nur teilweise von Erfolg gekrönt. Schlussendlich wählt Carmen Don Jose aus, der aus Liebe zu ihr sogar vom Militärdienst desertiert und sich ihrer kriminellen Bande anschließt. Dieses Glück ist allerdings nur von kurzer Weile. Das Paar streitet sich häufiger und Carmen verlässt Don Jose für einen anderen. Jener will dies nicht zulassen und ersticht Carmen, welche sich weigert, zu ihm zurückzukehren.

Klar im Mittelpunkt dieser Oper steht die Hauptrolle Carmen. Ihr Charme und ihr Spiel faszinieren nicht nur Don Jose und die anderen Soldaten, sondern auch das Publikum. Eine großartig emanzipierte Frau, die sich von keinem Mann herumkommandieren lässt. Dass dies bei der Uraufführung 1875 nicht so gut angekommen ist, kann man sich leider denken. Die erste Besetzung der Carmen hat sich sogar geweigert, diese Rolle zu spielen, da sie zu unmoralisch sei. Der damals junge Komponist Bizet wurde mit sehr vielen negativen Kritiken überhäuft und starb einige Wochen später. Einer der wenigen Befürworter des Werkes war Tschaikowsky, der vorhersagte, das Stück werde in 10 Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Und er hatte Recht. Leider konnte Bizet diesen Erfolg nicht mehr erleben.

In den meisten Inszenierungen dieser Oper liegt der Fokus auf dem Spiel zwischen Frau und Mann, Liebe, Verführung und Eifersucht. Aber nicht bei dieser. Durch sehr viel Symbolik in Bühnenbild, Kostüm und Requisite wird ein ganz anderes Thema verdeutlicht: Femizid. Der Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist.
2020 wurden in Deutschland 139 Frauen von (Ex-)Partnern getötet. (Im Vergleich: 30 Männer wurden Opfer von (Ex-)Partnerinnen.) Weltweit sind fast zwei Drittel der Opfer von Morden durch Partnerschaftsgewalt Frauen.

Auch Carmen wird von ihrem Expartner ermordet, weil dieser nicht damit umgehen kann, dass sie sich von ihm trennen will.
Manche würden jetzt argumentieren, dass diese Oper nun eben ein uraltes Stück ist und „früher Sachen anders waren“ und dass die Kunst für den Pathos übertreibt. Aber die vielen Symbole, die von aktuellen Frauenrechtsbewegungen stammen (beispielsweise „Zapatos Rojos“ aus Lateinamerika) zeigen dem Publikum, dass Gewalt gegenüber Frauen durchaus ein Problem ist, welches auch in unserer Zeit noch zu häufig auftritt.

Diese Produktion von Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo ist ein perfektes Exempel dafür, wie man mit Kunst zeitgemäß umgehen kann. Im Gegensatz zum Gärtnerplatztheater in München zum Beispiel, welches in dem Stück „Jonny spielt auf“ Blackfacing als Stilmittel verkaufen wollte, hat das TfN hier vieles richtig gemacht. Kunst muss nicht immer stumpf reproduziert und hingenommen werden, sondern auch ältere Werke können und sollten kommentiert und in Frage gestellt werden. Carmen ist und bleibt eine brillante Oper, mit spannender Handlung und vor allem großartiger Musik und gewinnt durch die neue Interpretation nur an Mehrwert.

Dana Dietrich (4/22)

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