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Barrierefreiheit in Wien? – Eine Stadt setzt sich hohe Ziele

Ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung für einen neuen Wohnort oder ein Reiseziel ist für manche Menschen, ob die Stadt oder der Ort barrierefrei ist bzw. was dafür getan wird, damit dies erreicht wird. Barrierefreiheit ist nicht nur für Menschen mit Behinderung wichtig, sondern auch für Kinder, Eltern mit Kleinkindern oder auch ältere Menschen. Die Nutzungsqualität wird also für alle Personen gesteigert, wenn die Stadt möglichst barrierefrei ist. Die Stadt Wien hat es sich zum Ziel gesetzt, dass grundsätzlich ein selbstbestimmtes Leben ohne fremde Hilfe möglich sein soll. Es soll also eine systematische, dauerhafte und nachhaltige Minimierung von Barrieren geben. Durch umfangreiche Möglichkeiten ist es für Menschen, die mobilitätseingeschränkt sind, trotzdem möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und durch vielfältige Angebote von Museen und anderen Einrichtungen kann man trotz einer Seh- oder Hörbehinderung Kunst und Kultur erleben.

Vor allem bauliche Barrieren sind ein repräsentatives Beispiel für soziale Ausgrenzung bestimmter Menschengruppen. Durch Barrierefreiheit wird also eine freie Zugänglichkeit, eine chancengleiche und unabhängige Teilhabemöglichkeit sowie eine selbstbestimmte Alltagsbewältigung gewährleistet. Dies führt zu einem Abbau von Diskriminierung von bestimmten Menschengruppen.

In Wien wurde aus diesem Grund 1991 die Barrierefreiheit bezüglich Wohnbau und in öffentlichen Gebäuden durch die Bauvorschriften vorgegeben und schon 1994 wurde eine barrierefreie Stadt als Ziel im Stadtentwicklungsplan vorgesehen. Im österreichischen Bundesverfassungsgesetz Artikel 7 Absatz 1 von 1997 steht zudem: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ 2005 wurde das österreichische Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz entworfen, welches dann am 1. Januar 2006 in Kraft trat. Dieses Gesetz beinhaltet ein Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderung und auch im Antidiskriminierungsgesetz sind ausdrücklich Menschen mit Behinderung eingeschlossen. Allerdings sehen beide Gesetze eine Einschränkung der Barrierefreiheit vor, wenn diese nicht mit zumutbaren Mitteln zu erreichen ist.

Insgesamt gilt für öffentliche Gebäude, dass mindestens ein Eingang stufenlos erreichbar sein muss, Stufen und Schwellen grundsätzlich zu vermeiden und alle unvermeidbaren Niveauunterschiede durch Rampen oder Aufzüge auszugleichen sind. Auch muss eine notwendige Mindestbreite für Türen und Gänge eingehalten werden und es muss eine dem Verwendungszweck entsprechende Anzahl von behindertengerechten Sanitärräumen vorhanden sein. Im Zuge eines weiteren Projektes werden seit 1988 alle Gehsteige abgesenkt. Gleichzeitig wurde in der Verwaltung eine Fachstelle für barrierefreies, behinderten- und generationsgerechtes Planen, Bauen und Wohnen eingerichtet.

Wien hat zudem einen Etappenplan über den Zeitraum von 2012 bis 2042 erstellt, mit dem Ziel, dass bis 2042 alle öffentlichen Gebäude barrierefrei sein sollen und schon 2022 mindesten 33%. Die vorgesehenen Kosten betragen 162 Millionen Euro, also 5,4 Millionen jährlich, allerdings gibt es keine offiziellen Angaben darüber, wie viel bereits umgesetzt wurde. Insgesamt ist es aber schwierig, die Vorgaben des österreichischen Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes einzuhalten, da diese alle auch mit dem Denkmalschutz vereinbar sein müssen, was vor allem im alten Stadtkern mit seinen vielen historisch bedeutsamen Gebäuden ein großes Problem darstellt.

Auch auf EU-Ebene gibt es Regelungen, welche ein Leben ohne Diskriminierung für Menschen mit Behinderung schaffen soll. 2000 beschloss die Europäische Union eine Richtlinie über Gleichbehandlung und einen Aktionsplan über die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung. Außerdem trat die EU dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei und hat darauf aufbauend eine eigene Strategie zur Umsetzung entwickelt.

Sollte man heute nach Wien reisen, ist es relativ leicht für mobilitätseingeschränkte Menschen, in öffentliche Gebäude zu kommen und auch die Anreise ist sehr erleichtert. So ist z. B. der Flughafen von Wien zu 100% barrierefrei und wenn Menschen mit Einschränkungen an Bord sind, so werden diese Informationen zwischen den Flughäfen ausgetauscht. Dies ermöglicht allen Stellen eine optimale Vorbereitung auf Abflug und Ankunft der entsprechenden Personen, was eine weitestgehend stressfreie Reise ermöglicht.

Straßenbahn in der Niederflur-Bausweise der Wiener Linie

Die Barrierefreiheit gilt jedoch nicht nur für mobilitätseingeschränkte Menschen, denn es gibt darüber hinaus für alle Benutzer*innen eine Vielzahl von Piktogrammen, Leitsysteme, die die Orientierung erleichtern und Monitore in Augenhöhe für die Lesbarkeit der Fluginformationen. Zudem kann bis zu 48h vor Abreise beim Reiseunternehmen ein Hilfsbedarf angemeldet werden. Auch der Weg zum oder vom Flughafen ist gut organisiert, da es für Taxis gekennzeichnete Gratisparkplätze gibt und sehr viele Barrierefrei-Parkplätze, deren Parkgebühr um 50% ermäßigt ist. Ergänzt wird das Angebot durch spezielle Kleinbusse für Rollstuhlfahrer*innen und deren Begleitung und es gibt den CAT (City Airport Train), der ebenfalls 100% barrierefrei ist. Alle Behinderten-Parkplätze sind online einsehbar, so z. B. im elektronischen Stadtplan der Stadt Wien.

In Summe ist der öffentliche Verkehr bereits heute fast komplett barrierefrei. Alle frequenzstarken Bahnhöfe sind barrierefrei zugänglich, wie z. B. der Hauptbahnhof, in dem es einen Hebe-Lift gibt – der den gesamten Tag nutzbar ist – Bahnrollstühle, induktive Höranlagen und barrierefreie WCs sind vorhanden und barrierefreies Parken ist gewährleistet. Auch gibt es ein durchgehendes Blindenleitsystem. Allerdings sind nicht alle Zugverbindungen für Rollstuhlfahrer*innen ohne Einschränkungen nutzbar, aufgrund von unterschiedlichen Waggonausstattungen, die erst nach und nach in den nächsten Jahren optimiert werden.

An fast alle Straßen- und Buslinien werden Fahrzeuge in Niederflur-Bauweise eingesetzt, wodurch mobilitätseinge­schränkten Personen das Ein- und Aussteigen erleichtert wird. An den elektronischen Anzeigen der Straßenbahnhaltestellen wird mit einem blinkenden Rollstuhlzeichen neben der Linie angezeigt, ob diese eine Niederflur-Bauweise hat oder nicht. Die Autolinienbusse sind alle in der Niederflur-Bauweise mit Klapprampen für Rollstuhlfahrer*innen ausgestattet. Auch gibt es in fast allen Stationen Taststreifen für sehbehinderte Menschen, die den Weg zu Stiegen, Rolltreppen oder Aufzügen weisen und jede Station verfügt über einen barrierefreien Zugang. Ergänzt wird dies durch taktile und auditive Orientierungshilfen in Aufzügen und im Straßenverkehr. Die Wiener Linie stellt zudem online einen speziellen Service für sehbehinderte Menschen zur Verfügung.

In Wien besitzen alle Ampeln eine Orientierungshilfe für sehbehinderte Personen, die dem Nutzer Auskunft über die Lage und die Anzahl der zu überquerenden Straßenbahnschienen und Fahrbahnen gibt.

Drückknopf einer Ampel in Wien für sehbehinderte Personen

Auch Sightseeing-Busse für „Hop-On-Hop-Off-Fahrten“ sind für Rollstuhlfahrer*innen möglich, allerdings kann ein Bus nur einen Rollstuhl mitnehmen und E-Rollstühle sind nur auf vorherige Anfrage möglich. Selbst die berühmten Fiaker-Fahrten, also die Pferdekutschen, sind rollstuhlgerecht, da über eine Rampe der Rollstuhl in die Fiaker geschoben werden kann. Das berühmte Riesenrad auf dem Wiener-Prater ist ebenfalls mit dem Rollstuhl zugänglich und die beliebten Donaurundfahrten sind für mobilitätseingeschränkte Menschen heute kein Problem mehr. Bei Bedarf werden Führungen für Gäst*innen mit Behinderungen und speziellen Bedürfnissen von spezialisierten und eigens geschulten Stadtführer*innen angeboten.

Barrierefreie Unterkünfte sind in Wien verbreitet, z. B. kann man leicht mit dem Online-Portal „roomchooser.com“ ein geeignetes Zimmer finden, indem man dort eine persönliche Checkliste anlegt mit den Dingen, die benötigt werden, wie z. B. eine befahrbare Dusche etc. Auch die Webseite „Wien Hotels“ kann behilflich sein bei der Suche nach einem geeigneten Raum, da häufig ein einfaches Nachfragen bei Hotels nicht ausreicht. Dies liegt oftmals daran, dass das Personal nicht genau weiß, wie ein barrierefreies Zimmer im Detail aussieht und daher keine hilfreichen und verlässlichen Auskünfte geben kann.

Generell gibt es bei der Tourist-Info vielfältige Informationen und Hilfe, aber auch bei vielen andern Servicestellen, u.a. hier:

https://www.wien.info/de/reiseinfos/wien-barrierefrei/barrierefrei-service-340378
https://www.wien.info/de/reiseinfos/wien-barrierefrei/barrierefrei-gesund-340370

Textfeld: „Madonna im Grünen“ von Raffael als ertastbares 3D-ReliefEin Bild, das Person, darstellend enthält.

Automatisch generierte BeschreibungWien ist die Stadt der Museen. Viele dieser Einrichtungen sind barrierefrei erreichbar und haben besondere Angebote für blinde, sehbeeinträchtigte und gehörlose Besucher*innen integriert. Das Kunsthistorische Museum hat z. B. einen weltweit einzigartigen Service für Blinde und sehschwache Menschen, da drei Werke der Renaissancesammlung aus der Gemäldegalerie „in zu ertastende 3D-Reliefs“ umgesetzt wurden. Die „Madonna im Grünen“ von Raffael, „Maria mit Kind“ von Albrecht Dürer und „Der Hofnarr Gonella“ von Jean Fouquet. Diese Reliefs geben einen Eindruck vom Bildaufbau und zahlreichen Details. Zusätzliche Broschüren in Brailleschrift und Kunstvermittler*innen bieten weitere Informationen zu den Gemälden. Dafür hat das Kunsthistorische Museum als eines der ersten Museen weltweit die Auszeichnung „COME-IN“ erhalten, welche an Museen verliehen wird, die sich aktiv, intensiv und kreativ mit der Barrierefreiheit ihrer Angebote und ihres Hauses befassen, mit dem Ziel, allen Menschen Zugang zum europäischen Kulturerbe zu ermöglichen. Als Angebotserweiterung bietet das Kunsthistorische Museum jeden Freitag unter dem Motto „Freitag ist Barriere*FREI*Tag“ verschiedene spezielle Führung an. Am ersten Freitag im Monat gibt es eine Tastführung, am zweiten Freitag eine Führung in Gebärdensprache, am dritten Freitag in einfacher Sprache und am vierten Freitag für Menschen mit Demenz und deren Begleiter*innen. Diese Führungen beginnen um 15 Uhr und jeden Monat steht ein anderes Thema im Fokus.

,,Madonna im Grünen“ von Raffael als ertastbares 3D-Relief

Im Oberen Belvedere gibt es spezielle Führungen für blinde Menschen mit detaillierten Beschreibungen zu Ferdinand Georg Waldmüller und seiner Zeit und auch zu „Der Kuss“, welches als Gustav Klimts Hauptwerk gilt. Außerdem gibt es ein „Schloss zum Angreifen“, ein maßstabsgetreues Tastmodell des Oberen Belvederes. Für Gehörlose gibt es ergänzend Multimediaguides, die über die Geschichte des Schlosses und über die dortige Gemäldegalerie informieren.

Im Unteren Belvedere gibt es zur Ausstellung „Egon Schiele – Wege der Sammlung“ ein Tastmodell für das Gemälde „Kauerndes Menschenpaar“, welches allerdings nur im Rahmen von Spezialführungen aufgesucht werden kann.

Aber auch die anderen Museen der Stadt bieten entsprechende Möglichkeiten für Menschen mit Einschränkungen. Das Österreichische Museum für Volkskunde ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen einen Rundgang unter dem Motto „Landleben und Sommerfrische“ mit den Höhepunkten der Schausammlung – hier können ausgewählte Objekte aus Holz und Keramik von den Besucher*innen angefasst und ertastet werden. Im Römermuseum sind spezielle „Hands-On-Objekte“ verfügbar und in Schloss Schönbrunn wurde ein Bronzemodell im Maßstab 1:2000 aufgestellt. Zudem sind im Schloss Schönbrunn, Oberen Belvedere und im Römermuseum auch Multimediaguides für gehörlose Menschen vorhanden, allerdings nur in österreichischer Gebärdensprache.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Wien sein Ziel, als Stadt möglichst barrierefrei zu sein, ernst nimmt und in vielen Lebensbereichen eine Barrierefreiheit schon fast vollständig vorhanden ist. Auch wird darauf geachtet, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Kunst und Kultur bekommen, wodurch Wien eine Stadt ist, in der man nicht nur gut leben kann als Mensch mit Behinderung, sondern auch als Urlaubsziel ist Wien sehr attraktiv für alle Menschen.

Die Kanalisation Wiens ist für doppelt so viele Menschen ausgelegt, wie im Moment dort leben – die Habsburger*innen hatten bei ihrer Planung wohl eine größere Zukunft für die Stadt vor Augen!

Funfact

Daja-Aliena Kunitz


Bildquellen:

Straßenbahn Wien: https://wiev1.orf.at/static/vietnam2/images/site/oesv1/201048/ulf2-1_big.jpg

Drückknopf an Ampel in Wien: https://www.wienzufuss.at/wp-content/uploads/sites/3/2016/06/blindenakustik-ma-33.jpg

Madonna im Grünen als Reliefbild: https://www.bizeps.or.at/wp-content/uploads/2016/02/1046.jpg

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