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„Mir ist Kalt“

Ein Text über Krisen von Antonia Blaich

Foto von Sebastian Paland

Mir ist kalt.

Ich weiß nicht warum, aber mir ist kalt.

Wie immer.

Es ist die Kälte, die in den Knochen bleibt,

die das Herz umschließt,

und einem Atem und Gedanken raubt.

Es ist die Kälte, die auch bei 30° im Schatten bleibt.

Ich glaube, mir ist gar nicht kalt. Ich habe Angst!

Aber wovor? Oder, wovor genau?

Vor dem Krieg?

Welcher Krieg? Der in der Ukraine? In Syrien? In Bergkarabach? In Bukina Faso? Im Jemen? In Indien? In Chile? In Israel?

Vor einer Naturkatastrophe?

Vor welcher? Tsunamis? Waldbrände? Erdbeben? Dürre? Überschwemmungen? Pandemien? Hitzewellen? Starkregen? Tornados?

Vor dem Hass?

Gegenüber wem? Frauen? People of Colour? Juden? Der Queer-Community? Muslimen? Menschen anderer Religionen? Der politischen Opposition?

Ich glaube, ich habe keine Angst. Ich habe keine Ahnung!

Ich habe keine Ahnung, wo auf der Welt gerade welche Krise herrscht.

Ich habe keine Ahnung, wie ich helfen kann.

Ich habe keine Ahnung, ob das, was ich tue, überhaupt reicht.

Und das macht mir Angst.

Und diese Angst kriecht in meine Knochen,

raubt mir Atem und Gedanken

und sie ist kalt.

Mir wird kalt, wenn ich daran denke, dass Wälder mit bis zu 400° brennen.

Mir wird kalt, wenn ich daran denke, welche Temperaturen bei Explosionen herrschen.

Mir wird kalt, wenn ich daran denke, dass sich unsere Erde bereits um 1,1° erwärmt hat.

Mir wird kalt, wenn ich daran denke, dass frische vergossenes menschliches Blut eine Temperatur von 37° hat.

Mir ist kalt. Ich habe keine Ahnung. Ich habe Angst.

Ich habe Angst vor der Kälte der Ahnungslosigkeit.


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