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Menschrechtsverletzungen, Korruption und Sportswashing

Olympische Winterspiele 2022 in Peking

Paralympische Winterspiele 2022 in Peking

Fußball-WM 2022 in Katar

Formel-1 2022 in Bahrain, Saudi-Arabien, …

Bahnrad-WM 2021 in Turkmenistan

Was haben all diese Sportveranstaltungen gemein? Sie finden oder fanden in Ländern statt, in denen es ernsthafte Menschenrechtsverletzungen gibt und die deswegen in der weltweiten Kritik stehen. Wieso aber finden solche großen und internationalen Sportveranstaltungen in solchen Ländern statt?

Die Motive für das Interesse der jeweiligen Länder sind einfach zu erklären: es wird Sportswashing betrieben.

Was genau ist Sportswashing? Der Begriff wurde 2018 in das Oxford-Wörterbuch aufgenommen und wird vom Journalisten Benjamin Knaack so definiert: „Es ist der Versuch, das eigene Ansehen mithilfe des positiven Images des Sports aufzuwerten.“ „Aufmerksamkeit, Zustimmung und Begeisterung für Sportevents sollen sich auf den Ausrichter übertragen“, sagt Politikwissenschaftler Jürgen Mittag von der Sporthochschule Köln. „Sie beabsichtigen, die Strahlkraft des Sports auf sich zu ziehen.“ Also einzelne Menschen aus den Ländern oder Staaten zahlen den jeweiligen Veranstaltern viel Geld und erhoffen sich so, ihr Image aufzubessern. Es soll nach außen ein freundliches und weltoffenes Bild von dem Land entstehen und von den eigentlichen Problemen wie Menschenrechtsverletzungen ablenken. Durch die Aufmerksamkeit, die auf das Land durch z.B. eine Fußball-WM gerichtet wird, wird zwar auch der Fokus auf die Menschenrechte etc. gelenkt, allerdings nur für einen kurzen Zeitraum.
Dieses Phänomen hat zwar erst seit 2018 seinen Namen, ist aber schon viel älter. So hat bereits Hitler mit dem Ausrichten der Olympischen Spiele 1936 in Deutschland Sportswashing betrieben oder auch die Fußball-WM 1978 in Argentinien während der Militärjunta war Sportswashing.

Nicht zuletzt bei aktuelleren Events wie den Olympischen Spielen in Peking wird sich die Frage gestellt, ob Sportswashing betrieben wird oder es nur ein PR-Stunt ist. Dadurch, dass der Begriff noch sehr neu ist, ist er auch relativ unerforscht und die Grenzen zwischen PR und Sportswashing sind nicht eindeutig zu ziehen. Vor allem, da auch westliche Regierungen Sportligen und Großevents gezielt nutzen, um positive Werbung zu betreiben. Wo wird also die Grenze gesetzt? Wenzel Michalski, der Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, merkt an: „Es gibt Unterschiede zwischen Autokratien und Demokratien. Das heißt nicht, dass man den Demokratien oder Rechtsstaaten alles durchgehen lassen darf. Im Gegenteil, man muss auch dort eine Diskussion weiterführen. Aber wie gesagt, der Unterschied muss manifestiert werden. „Die Grenze sollte also da gezogen werden, wo versucht wird, willkürliche Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land über Sportswashing zu relativieren.

Es ist aber nicht so, dass sich Sportswashing darauf beschränkt, dass sich solche Länder – vorwiegend die Golfstaaten – große Sportveranstaltungen ins Land holen, sondern auch Sportvereine komplett kaufen und dies vor allem im Englischen Fußball. Z.B. wurde der Verein Newcastle United von einem Zusammenschluss von Unternehmen gekauft, von denen der Mehrheitseigner ein Saudi-arabischer Staatsfond mit dem Kronprinzen Mohammed bin Salman als Vorsitzenden ist. Saudi-Arabien aber steht unter anderem wegen des Mordes am Journalisten Khashoggi im Jahr 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul unter Kritik. Dessen Verlobte Hatice Cengiz kritisiert den Kauf von Newcastle United und befürchtete schon vor dem Kauf, dass dieser nur dazu diene, das Image aufzubessern – diesen Kauf von englischer Seite aus zuzulassen, wäre also ein falscher Schritt, denn dies würde bedeuten, dass „egal was passiert, wer Macht und Geld hat (…), alles unter den Teppich kehren [könnte]“. Insgesamt sind 19 von 20 Erstligisten in England im Besitz von Großinvestoren, so auch Manchester City, hinter denen die Vereinigten Emirate stehen. Als am 12.03.2022 in Saudi-Arabien 81 Menschen hingerichtet worden sind, wurde dies beim Spiel Newcastle United gegen Chelsea London einen Tag später nicht nur vom Verein und den Fans ignoriert, sondern Fragen diesbezüglich wurden aktiv abgeblockt. Generell stören sich die Fans gar nicht an dem neuen Besitzer, weil sie nun hoffen, dass viel Geld und damit auch größerer Erfolg in den Verein kommen.

Bei Chelsea London haben die Fans kein Problem mit dem – nun ehemaligen – Besitzer des Vereins, nämlich Roman Abramowitsch, einem russischen Oligarchen. Sie haben während des Spiels sogar Gesänge für ihn angestimmt. Abramowitsch soll in enger Verbindung zu Putin stehen und wird aufgrund des Ukraine-Krieges nun sanktioniert, weshalb er den Verein auch verkaufen muss. Die Doppelmoral, die im Sport leider existiert, wird durch diesen Krieg an vielen Stellen deutlich, denn obwohl Sport so tut, als ob er unpolitisch wäre, ist er es nicht. Aus diesem Grund wird nicht zuletzt in England gefordert, dass eine Kontrollbehörde eingeführt wird, die prüft, wer sich als Investor eignet und wer nicht.

In Deutschland ist aktuell ein solches Investorenengagement wie in England nicht möglich, da es die 50+1 Regel gibt, also Vereine bekommen nur eine Lizenz, wenn 50% und eine Stimme am Verein selbst gehalten werden. Es gibt zwar einige Vereine wie RB Leipzig, die TDG Hoffenheim oder auch Hannover 96 mit fragwürdigen Konstellationen, allerdings geht es dabei nicht um so gravierende Dinge wie Menschenrechtsverletzungen. Generell fordert die Bundesregierung, dass bei der Vergabe von Sportevents auch Menschenrechte und andere ethisch orientierte Kriterien berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit könnte es sein, sich an den Maßgaben der UN Guiding Principles on Buisness und Human Rights zu orientieren. So könnte die Einhaltung von Menschenrechten eine richtungswei­sende Bedeutung erlangen und gleichzeitig würden Wirtschaftsunternehmen in die Verantwortung genommen werden. Eine weitere wichtige Komponente könnte das Lieferkettengesetz sein. Wenn die dort verankerten Richtlinien entsprechend präzisiert werden würden, würde auch von dieser Seite her mit seiner enorme wirtschaftliche Dimension Druck auf die Unternehmen ausgeübt werden. Dass ein solcher Ansatz sehr erfolgreich sein kann, zeigt die Vergabe der Eishockey WM. Die Internationale Eishockey-Föderation hatte zunächst eine Ausrichtung in Belarus unter dem dortigen Diktator Alexander Lukaschenko geplant, massive Kritik der Öffentlichkeit ignoriert, dann aber doch die Idee fallen gelassen, nachdem die Sponsoren drohten sich zurückzuziehen.

So wurde auch die Bahnrad-WM 2021 in Turkmenistan kritisiert, die der Radsport-Weltverband dort abhalten wollte, obwohl das Regime von Präsident Gurbanguly Berimuhamedow eines der brutalsten der Welt ist und Turkmenistan 2020 auf dem vorletzten Platz und 2021 auf dem drittletzten Platz innerhalb der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen war. Letztendlich wurde die Bahnrad-WM aufgrund der Pandemie-Situation abgesagt und zu einem späteren Zeitpunkt in Frankreich nachgeholt.

Betrachten wir nun die letzten Olympischen Spiele, die in Peking stattgefunden haben. Auch in China ist die Pressefreiheit nicht gewährleistet und das Land befindet sich auf Platz 177 von 180 Plätzen auf der Rangliste für Pressefreiheit in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem vorgenannten Turkmenistan. China bedroht zudem Nachbarländer, es gibt viele Menschenrechtsverletzungen und der Umwelt wurde bei den Olympischen Spielen wie auch sonst bei politischen Entscheidungen keine Beachtung geschenkt. All diese Sachen wurden zwar während den Olympischen Spielen von den Medien aufgegriffen, wie z.B. die Unterdrückung des Volks der Uiguren, aber diese Themen waren letztendlich nur Randthemen. Dass Sport politisch ist, hat man bei diesem Event auch sehr gut verfolgen können. So wurde z.B. das Olympische Feuer medienwirksam von einer Uigurin angezündet oder es wurde während Pressekonferenzen bei den Spielen gesagt, dass Taiwan zu China gehöre und die Kritikpunkte an den Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren alles Lügen seien. Auch das Treffen von Staatschef Xi Jinping und Putin kurz vor der Eröffnungsfeier ist ein politisches Zeichen gewesen und laut Geheimdienstberichten soll China bei diesem Treffen Russland gebeten haben, die Invasion der Ukraine auf die Zeit nach den Olympischen Spielen zu verschieben. Für den IOC (Internationale Olympische Komitee) und seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach war es schon vor den Spielen eine schwierige Sache, denn das IOC will in erster Linie Geld verdienen, weshalb die Spiele unbedingt stattfinden mussten. Das IOC rechtfertigt dies mit der positiven „Verbrüderung der Bevölkerung“ der Welt. Thomas Bach hat zusätzlich vor dem Beginn der Spiele darauf gedrungen, dass Sport und Politik unbedingt getrennt gesehen werden sollen – eine Aussage, die die Staats­führung in China aus eigenem politischen Interesse massiv unterstützt hat. Die Menschenrechts­organisation Human Rights Watch spricht von einem „Traum“ für Chinas Staatschef, aber von einem „Albtraum“ für die Menschenrechte, denn in China wurden die Spiele als voller Erfolg gewertet. Unterstrichen wird diese gefährliche Entwicklung auch dadurch, dass an den TV-Quoten in Deutschland eine kritische Haltung der Zuschauer*innen nicht zu bemerken war, denn es waren sogar bessere Quoten als bei den Sommerspielen 2020 in Tokyo.

Ein weiteres Sportevent, welches regelmäßig in Ländern mit Menschenrechtsverletzungen stattfindet, ist die Formel-1. Der Auftakt fand dieses Jahr in Bahrain statt und bot so dem dortigen Königreich die Chance, leicht den eigenen Ruf aufzupolieren. Allerdings bietet sich durch die internationale Aufmerksamkeit u. U. auch Opfern, sich öffentliches Gehör zu verschaffen. So hat z.B. Sayed Ahmed Alwadaei, der Direktor des „Bahrain Institute for Rights and Democracy“ (BIRD) einen Brief an ausgewählte Formel-1-Fahrer (darunter auch Vettel) geschrieben, dass er in seiner Heimat gefoltert wurde. Das Königshaus in Bahrain allerdings teilte über seinen Sprecher mit, dass die Menschenrechtsreformen vorangetrieben worden seien und „andere Behauptungen spiegeln nicht die heutige Realität wider“. In Bahrain gibt es etwa 1.400 politische Gefangene, von denen viele im Gefängnis sitzen, weil sie 2011 für mehr Demokratie protestiert hatten. Durch die Unruhen, die durch die Proteste damals entstanden sind, wurde in dem Jahr sogar das geplante Formel-1-Rennen abgesagt. Auch Ahmad Ramadhan erhofft sich durch die mediale Aufmerksamkeit Hilfe. Er bat den mehrfachen Formel-1 Weltmeister Louis Hamilton um Hilfe, um seinen Vater aus der Todeszelle zu holen. Hamilton hat sich daraufhin bei der britischen und bahrainischen Regierung für Mohammed Ramadhan eingesetzt, allerdings ohne Erfolg. Weitere Formel-1 Rennen finden in Saudi-Arabien statt, welches 2021 auf Platz 170 in der Rangliste der Pressefreiheit lag, in Aserbaidschan, welches 2021 auf Platz 167 lag, aber auch Länder wie den Vereinigten Arabischen Emirate (Platz 131) bzw. Mexiko (Platz 143). Dies alles zeigt, dass gerade medienstarke Sportarten das Ziel von Sportswashing und diese Sportarten extrem kommerzialisiert sind.

Weitere Länder, die in diesem Zusammenhang genannt werden müssen, sind z.B. Russland, welches auch mithilfe von Sportswashing den Fokus der westlichen Welt vom Ukraine-Konflikt abgelenkt hat. Nicht zuletzt dies hat es der russischen Regierung ermöglicht, die Pläne für die Ukraine vor der Mehrheit zu verheimlichen. In diesem Kontext sind ebenfalls Katar (Platz 128 in der Rangliste der Pressefreiheit) – eine absolutistische Monarchie – und die kommen Fußball-WM zu nennen. Durch den Ukraine-Konflikt profitiert Katar sehr wahrscheinlich wirtschaftlich bedeutend, da nun der Erlös von Gasverkäufen steigen könnte. Katar steht z.B. auch hinter dem französischen Fußballverein Paris Saint-Germain, denn der Präsident des Vereins ist Nasser Al-Khelaifi, der Statthalter Katars. Nach Medienberichten soll er Ärger mit der Justiz und der Bundesanwaltschaft der Schweiz haben, die 28 Monate Haft beantragt haben, unter anderem wegen Korruption – ebenfalls ein wichtiges und verbreitetes Thema im heutigen Sport – aber diese Vorwürfe haben ihm und seinem Ansehen bisher nicht geschadet. Ein weiterer Grund, weshalb Katar ein fragwürdiges Land für die Austragung der Fußball-WM ist, ist dass laut Amnesty International mindesten 15.000 Arbeitsmigrant*innen bei Bauarbeiten für die Infrastruktur für die WM im Wüstenstaat – welche zuvor gar nicht vorhanden war – ums Leben gekommen sind. Arbeiter*innen bekommen zudem nicht einmal den Mindestlohn und müssen bei Fehlern mit drakonischen Strafen rechnen, weshalb Amnesty International sogar von sklavenähnlichen Zuständen spricht. Auch ist Katar als Austragungsort laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft von New York durch Bestechung der zuständigen FIFA-Gremien überhaupt erst möglich geworden. Es wäre nicht das erste Mal, dass durch Bestechung ein Land die Fußball-WM austragen darf – bei den Vergaben an Russland oder sogar Deutschland 2006 wird der gleiche Verdacht erhoben.

Allein schon die Tatsache, dass die Luftwache von Katar den Talibanführer Abdul Ghani Baradar zurück nach Afghanistan geflogen hat, nachdem er dort jahrelang in der Hauptstadt im Exil gelebt hat, sollte die Welt schon stutzig machen und im Angesicht der unfassbar vielen Menschenrechts­verletzungen müsste eigentlich klar sein, dass die WM dort nicht stattfinden sollte. Die Strategie des Deutschen Fußball-Bundes für diese WM scheint zu sein: „hinfahren, hinsehen, über den Dialog Brücken bauen, vorher höchstens mal ein bisschen kritisch fragen“ (Marcus Bark, Sportschau). Diese Strategie galt übrigens auch für die Olympischen Spiele in China oder die Fußball-WM in Russland und wie die funktioniert hat, ist am aktuellen Krieg in der Ukraine gut erkennbar.

Der Aspekt des Hinsehens ist wichtig, damit Menschenrechtsverletzungen der Öffentlichkeit bekannt werden und so dagegen angearbeitet werden kann. Allerdings, auch wenn eine Fußball-WM viel kostet, so bringt sie letztendlich mehr Geld ein und somit werden diese Menschenrechtsverletzungen indirekt unterstützt – von uns allen – nur weil wir uns ein Spiel der WM im Fernsehen ansehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Lockerungen, die in Katar für die Austragung der WM beschlossen wurden, wieder verschwinden werden, sobald die WM vorbei ist, ist ziemlich hoch. Nur, dann wird es keiner mehr wahrnehmen, weil keiner mehr hinschaut bzw. hinschauen will. Wen dieses Thema interessiert, dem sei das Video von MrWissen2Go zu empfehlen. https://youtu.be/RWddBq4WnPs

(Die Aktion der Nationalelf richtete sich gegen Menschenrechtsverletzungen in Katar. (dpa / Tobias Schwarz) (08.09.2021 beim Qualifikationsspiel gegen Island vor Anpfiff)

Länder, in denen es Menschenrechtsverletzungen gibt, wollen also mit Hilfe von internationalen Sportveranstaltungen ihr Ansehen in der Welt verbessern und es bleibt letztendlich die Frage, weshalb Länder wie z.B. Deutschland dies zulassen und diese Sportveranstaltungen nicht boykottiert oder gezielt Einfluss nehmen.

Daja-Aliena Kunitz (4/22)

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